Worum geht’s in diesem Post?
Ein SharePoint-Dokument liegt in einer Site, die im Scope von einer statischen Retention Policy liegt, gleichzeitig wirken nocht zwei Policies mit adaptive Scopes darauf. Klingt komplex? Keine Sorge. In diesem Beitrag schauen wir uns an, wie Microsoft Purview solche Situationen auswertet – und zwar nach klaren, nachvollziehbaren Regeln. Du erfährst, welche Policy in welchem Fall den Vorrang hat, wie Lösch- und Aufbewahrungsfristen zusammenspielen und was das konkret für deine Umsetzung bedeutet.
Der Ausgangspunkt: Retention in Purview
Beim Konfigurieren von Retention Policies kann es durchaus vorkommen, dass mehrere Policies gleichzeitig auf denselben Inhalt wirken – zum Beispiel, weil sie dieselbe Site umfassen, sei es durch statische Zuweisung oder adaptive Scopes.
Und dann kommt die zentrale Frage: Was passiert, wenn mehrere Regeln gleichzeitig greifen?

Die Priorisierung: Wer gewinnt?
Microsoft definiert eine klare Logik, welche Policy im Konfliktfall den Vorrang hat:
1. Aufbewahrung > Löschung
Wenn sich mehrere Retention Policies auf denselben Inhalt anwenden, hat eine Policy mit Retention immer Vorrang vor einer, die nur Löschung ohne vorherige Aufbewahrung vorschreibt.
Aufbewahrung geht vor Löschung.
2. Die längste Aufbewahrung gewinnt
Wenn mehrere Retention Policies mit „Retain“-Aktion auf denselben Inhalt wirken, wird die längste Aufbewahrungsdauer angewendet.
Beispiel:
Eine Policy, die die Site beinhaltet, legr die Aufbewahrung für 5 Jahre ab der letzen Änderung fest.
Eine andere Policy beinhaltet dieselbe Site und schribt die Aufbewahrung auf 10 Jahre ab der letzen Änderung vor.
▶️ Dokumente werden für 10 Jahre aufbewahrt.
3. Explizite Löschung gewinnt über implizite Löschung
Wenn ein Inhalt sowohl von einer Delete-Only Policy auf dem Container als auch von einer Regel mit expliziter Löschung betroffen ist (z.B. durch ein Retention Label), dann hat die explizite Löschung Vorrang. Diese gezielt vergebene Löschfirst wird als maßgeblich bewertet, selbst wenn andere Regeln eine spätere Löschung vorsehen. Wenn das Dokumen natürlich noch einer Aufbewahrungsrichtlinie unterliegt, wird auch die explizite Löschvorgabe hinten angestellt.
4. Kürze Löschfristen gehen vor
Wenn mehrere Löschrichtlinien greifen und keine Aufbewahrungsvorgabe aktiv ist, entscheidet die kürzeste Frist, welche Policy angewendet wird. In anderen Worten: Die früheste festgelegte Löschaktion hat Vorrang. Selbstverständlich auch nur, wenn keine Aufbewahrungsrichtlinie widerspricht.
Auf die Reihenfolge kommt es an!
Diese vier Regeln werden immer in genau dieser Reihenfolge ausgewertet. Es gibt keine Ausnahmen oder Sonderfälle, die die Priorisierung ändern. Microsofts Evaluierungslogik folgt diesem festen Ablauf, unabhängig davon, wie viele Policies greifen oder welche Kombinationen vorliegen.

Nachholung von Löschvorgängen
Ein wichtiger Punkt ist die Nachholung von Löschvorgängen: Wenn eine Policy eine Löschung nach einer bestimmten Frist vorsieht, diese aber durch eine aktive Retention-Policy blockiert wird, heißt das nicht, dass die Löschung dauerhaft ausgesetzt wird. Stattdessen wird der Löschbefehl sozusagen vorgemerkt. Sobald die längere Aufbewahrungsdauer abgelaufen ist, wird der ursprünglich geplante Löschvorgang nachgeholt.
Beispiel:
- Policy A: „Löschen nach 3 Jahren“
- Policy B: „Aufbewahren für 5 Jahre“
▶️ Das Objekt wird 5 Jahre aubewahrt und dann nach Ablauf der 5 Jahre gelöscht, weil die Löschrichtlinie weiterhin noch wirksam ist.
So wird sichergestellt, dass auch in komplexen Kombinationen die ursprünglichen Absichten der Richtlinien erhalten bleiben – nur eben in der richtigen Reihenfolge.
Kombinationsbeispiele: Wer setzt sich durch?
Im Folgenden findest du Beispiele für Szenarien, bei denen mehrere Retention Policies auf denselben Inhalt wirken. Sehen wir uns an, wie sich die Retention Policies in diesen Szenarien aus wirken:
Szenario 1: SharePoint-Site mit zwei Aufbewahrungsrichtlinien
- Policy A: Gilt für das HR-Department, Aufbewahrung für 7 Jahre
- Policy B: Gilt für alle deutschen Standorte, Aufbewahrung für 5 Jahre
Was passiert?
- Regel 1 (Aufbewahrung > Löschung) ist nicht relevant.
- Regel 2 (Längste Retention gewinnt) greift. (Policy A > Policy B)
▶️ Inhalte werden für 7 Jahre aufbewahrt.
Szenario 2: Mailbox mit einer Löschrichtlinie und einer Aufbewahrungsrichtlinie
- Policy A: Gilt für alle Mailboxen, Löschung nach 4 Jahren
- Policy B: Gilt für alle C-Level Executives, Aufbewahrung für 7 Jahre
Und jetzt?
- Regel 1 (Aufbewahrung > Löschung) ist entscheidend. (Policy B > Policy A)
▶️ Emails werden für 7 Jahre aufbewahrt und danach gelöscht
Szenario 3: Teams Chats mit zwei Löschrichtlinien
- Policy A: Gilt für alle User, Löschung nach 3 Jahren
- Policy B: Gilt für temporäre Mitarbeitende, Löschung nach 1 Jahr
Wie geht’s weiter?
- Regel 1 (Aufbewahrung > Löschung) ist nicht relevant.
- Regel 2 (Längste Retention gewinnt) ist nicht relevant.
- Regel 3 (Explizite > implizite Löschung) ist nicht relevant.
- Regel 4 (Kürzeste Löschfrist gewinnt) zieht. (Policy B > Policy A)
▶️ Chats werden nach 1 Jahr gelöscht.
Szenario 4: Teams-Kanal mit einer Aufbewahrungsrichtlinie, einer Löschrichtlinie und einer kombinierten Richtlinie
- Policy A: Gilt für alle Teams, Löschung nach 2 Jahren
- Policy B: Gilt für alle Teams, die zur Entwicklungsabteilung gehören, Aufbewahrung für 3 Jahre, danach Löschung
- Policy C: Gilt für alle Teams, in denen an Patentent gearbeitet wird, Aufbewahrung für 10 Jahre
Wie wird das aufgelöst?
- Regel 1 (Aufbewahrung > Löschung) zieht. (Policy B + C > Policy A)
- Regel 2 (Längste Retention gewinnt) greift. (Policy C > Policy B)
- Regel 3 (Explizite > implizite Löschung) ist nicht relevant.
- Regel 4 (Kürzeste Löschfrist gewinnt) zieht, wird aber durch Regel 1 irrelevant. (Policy A > Policy B)
▶️ Kanalnachrichten werden für 10 Jahre aufbewahrt und danach gelöscht.
Praxis-Tipps für deine Umsetzung
- Prüfe Policy-Kollisionen: Nutze den Policy-Lookup im Purview Portal um dir anzusehen, welche Policies auf einen Speicherort wirken.
- Teste komplexe Szenarien: Verwende Pilot-Sites und Test-User für die Konfiguration.
- Dokumentiere deine Regeln: Besonders bei Adaptive Scopes und mehreren Locations ist gute Doku Gold wert.
Fazit
Überlappende Retention Policies sind kein Bug, sondern ein Feature mit klarer Logik. Wer die Priorisierung kennt, kann Microsoft Purview gezielt und souverän einsetzen. So kannst du z.B. eine pauschale „Aufräumpolicy“ umsetzen und gleichzeitig sicherstellen, dass begründete Ausnahmen anders behandelt werden.
Dieser Post wurde initial hier veröffentlich: consideritman.com